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Format: mp3
Release date: October 10, 2022
Genre: Punk, Post-Punk, No Wave, Ska
Vocals, trompet: Gottfried Kress
Guitar, vocals: Klaus Roth
Bass: Lupe Wolf
Keyboard, vocals, guitar: Handke Hesselbach
Clarinet, percussion, vocals, keyboard: Frank Kühner
Saxophone: Pit Schmidt
Drums: Ralf Wettemann
Mastering: Pit Schmidt
Grafik: Lupe Wolf & Lucia Palacios
Produktion: Pit Schmidt & Lupe Wolf
Recorded in 2012/13

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8.00 €

TEXT ZU FAMILIE HESSELBACH IM 21. JAHRHUNDERT von Hank von Ewalds

In den End-1970er Jahren begannen sich auch in Tübingen, der Müsli-Hauptstadt Deutschlands, zaghaft Ansätze zu entwickeln, neue Musikstile und Lebensgefühle, die an der angloamerikanischen Boheme orientiert waren, in den kulturellen Alltag des (nicht nur) studentischen Daseins zu integrieren.

Eine Handvoll intellektueller New Waver, Proll-Punks, frustrierter Post-Altlinker, modern gestrickter Vertreter der Lesben/Schwulen-Bewegung, individuell motivierter Einzelkämpfer und sonst wie in den poststrukturalistischen Zeitgeist Geratener fingen damals schrittweise damit an, das vorherrschende Bild einer vermeintlich alternativen, über weite Strecken aber doch konservativen Provinz-Studentenmetropole zunehmend nachhaltig zu unterminieren. Versuche, sich Gehör zu verschaffen, wurden am Ende von Konzerten, als man selber noch um die Darbietung einiger eigener Takte bat, geduldet, abgelehnt oder hochnäsig verspottet — ja, eigene Veranstaltungsversuche sogar mit Abschaltung des Stroms beendet. In einer langsam wachsenden Szene, die durch solche Erfahrungen natürlich Solidaritäts-Effekte erzielte, begannen sich, unterstützt von zunehmend aktuell ausgerichteten Musik-Printmedien und selbst erstellten Fanzines, auch in Tübingen Strukturen zu entwickeln, die sich dem pseudo-links-alternativen Kulur- und speziell Musikgeschmacks-Diktat entgegenstemmten.

Aus diesem Dunstkreis entstanden diverse mehr oder weniger langlebige Projekte, zu denen auch die Vorläufer der Familie Hesselbach gehörten. Auf eine Anzeige bzw. ausgehängte Zettel hin fanden sich einige Aktivisten zusammen, aus denen dann die Band ABC hervorging, dem gleichen Umfeld entsprang die Gruppe Gäste aus Ungarn. Auftritte und Cassetten-Produktionen (damals DAS Medium des Untergrunds) sorgten für lokale/regionale Aufmerksamkeit.

Noch immer war es schwer, sich gegen den vorherrschenden Folk-Jazzrock-Liedermacher-Mainstream dieser Stadt durchzusetzen. Über Umwege außerhalb gelang dies dann doch. In anderen Städten gab es bereits weiter entwickelte Infrastrukturen der „neuen“ Musik. Die inzwischen über die instabile Zwischenformation SR/25 personell fest gefügte Familie Hesselbach profitierte davon, nachdem sie in Pforzheim bei der dortigen monatlichen Konzertveranstaltung von Intoleranz — zwei lokale und zwei auswärtige Bands spielten da an einem Abend — das Publikum nach nur wenigen Minuten in Ekstase versetzte. Und das mit einem mittlerweile solide eingeprobten Programm, das von nationalen wie internationalen Bands beeinflusst war, aber dennoch eine unverkennbar eigene Note besaß. Dank der nach diesem Erlebnis hergestellten Connections wurden die Hesselbachs schnell in der Szene herumgereicht, auch weil sie immer wieder ihre Live-Qualitäten unter Beweis stellen konnten.

Ein weiterer entscheidender Faktor war, dass ihre Cassetten-Produktion Froh zu sein in der damals szenerelevanten Tape-Rubrik von Michael Tesch in Spex euphorisch besprochen wurde. Im Übungsraum des früher besetzten Hauses in der Schellingstraße 6 war diese MC entstanden, live eingespielt mit altertümlichem Schlagzeug- und Mikrofon-Equipment — aber mit Gespür für die Seele der Musik aufgenommen und gemischt vom Zeitgenossen Le Marquis.

All das führte dazu, daß sich die Familie bald in einem Umfeld, das auch „Cassetten — Szene“ genannt wurde und durch vielerlei (prä-Internet-) Kontakte vernetzt war, einen Underground-Kultstatus erspielte. Während der Konzert-Alltag (die Gruppe spielte außerhalb von Tübingen nur an Wochenenden, da nicht alle Musiker Studenten waren) stetig erfolgreicher wurde, war das Ergebnis der ersten LP-Produktion 1982 für viele Insider etwas enttäuschend.

Ohne wirkliche Studio-Erfahrung nahm man in Illertissen in einem Studio, das vorher neben chaotischen Allgäuer Punkbands vornehmlich Blasmusik produziert hatte, ein Album auf, das trotz aufnahmetechnisch besserer Bedingungen nicht die musikalische Intensität von Froh zu sein erreichte: Eingeweihte wurden zu etwas enttäuschten Liebhabern, auch wenn sich das handgemachte Cover-Design an der legendären Debüt-LP der Kultgruppe The Times orientierte. Der weiterhin goutierten Attraktivität on stage tat dies allerdings keinen Abbruch (zudem war die Platte nun auch nicht so schlecht, dass sich nicht eine ordentliche Anzahl der 1000er-Auflage verkaufen ließ). Auch als der aus Studiengründen für ein Jahr nach England abgewanderte Klarinettist, Percussionist und Part-Time-Drummer fehlte, ging die Geschichte straight weiter. Seine bisherigen (auch Keyboard-) Aufgaben wurden von anderen übernommen, zudem kompensierte man die fehlende Bläserdichte durch das Engagement von 1 bis 2 Saxofonisten.

Doch schon vorher wurden, betreut durch Uli Mall von der Arbeitsgemeinschaft Zimt, sechs Stücke für den 8-EP-Sampler von Schrott Produktionen des inzwischen leider verstorbenen Münchners Mike Just aufgenommen. Das waren prägende Titel, die z. T. bis zum Schluss im Live-Repertoire der Familie blieben und die musikalische Weiterentwicklung der Band dokumentierten. Diese Doppel-LP, auf der auch Gruppen wie heute oder EA 80 vertreten waren, erschien im Jahr 1983. Genauso wie der Städtesampler Schwabesäkel International, zu dem — ebenfalls eine Doppel-LP — die Familie drei Titel beisteuerte, die bereits 1982 live in der Stuttgarter Mausefalle, dem damaligen Tempel der neuen Musik im Südwesten, aufgezeichnet wurden. Die selben Aufnahmen veröffentlichte die Merz Akademie Stuttgart 2011 im Rahmen eines Semesterprojekts als 7“-Single wieder, was letztendlich zu einer Reunion der Band führte.

Weiter im geschichtlichen Text: Auch nach der Rückkehr des Klarinettisten aus England trat man weiterhin mit Saxofon(en) auf — so standen phasenweise 8 Musiker auf der Bühne. Inzwischen hatte man auch ein paar Beiträge für (inter)nationale MC-Compilations abgeliefert, einige Musiker versuchten sich in Side- und Solo-Projekten, was die Vielfältigkeit der Szene inzwischen zuließ. Sogar einen eigenen Bandbus konnte man sich mittlerweile leisten.

Ziel der Gruppe aber war es nun, neuere Songs in einem soundtechnisch ambitionierteren Gewand aufzunehmen und zu veröffentlichen. Dafür wurde das legendäre Zick Zack-Label des Underground-Urgesteins Alfred Hilsberg (brachte u.a. Abwärts und Einstürzende Neubauten heraus) gewonnen. Die daraus resultierende 4-Stücke-Maxi Süddeutschland überzeugte durch einen straighten, transparenten Mix; ein Großteil der Auflage wurde aber aufgrund finanzieller Schwierigkeiten des Hamburgers von der Familie selbst aufgekauft und auf Konzerten erfolgreich vertrieben.

Inzwischen im Jahre 1984 verspürten Teile der Band das Bedürfnis, noch einmal einen deutlichen stilistischen Schnitt zu vollziehen. Aus den diesbezüglichen internen Diskussionen ergab sich ein Kompromiss: viele neue Stücke, z.T. deutlich rockorientierter, ersetzten alteingesessene und -geliebte. Dennoch verblieb ein gewisser Fundus bewährter, als qualitativ hoch eingeschätzter Titel im Programm. Live war dies nicht minder erfolgreich, doch hatten sich Publikum und vor allem szenetechnische Umstände im Laufe der Jahre kontinuierlich verändert –

Die Zeit für diese Art von Musik und damit auch die mit ihr verwurzelten Familie schien abgelaufen, wollte man nicht selbstbetrügerisch noch weiter durch mittelgroße Hallen tingeln. Die auseinander strebenden Biografien der Musiker taten das Ihre, um die Entscheidung für einen Schlussstrich reifen zu lassen — im Einvernehmen wohlgemerkt und nicht, ohne letzte Spuren zu hinterlassen:

Die Bandkasse gestattete es, noch einmal Studiotermine zu buchen, und heraus kamen sechs tolle Stücke, die — der Anfangstradition geschuldet — auf Cassette veröffentlicht wurden: eine C46 inclusive seltener Live-Aufnahmen auf der Rückseite mit dem bedeutungsschwangeren Titel Der Untergang des Hauses H..

Ein Abschiedskonzert im Tübinger Zentrum Zoo, bei dem die Band zwei Sets spielte, erst eines mit neuerem Songmaterial, dann eines mit Stücken aus der Aufbruchszeit, beendete schließlich das Kapitel einer „Ära, die bereits jetzt Gegenstand sentimentaler Erinnerung für viele ist“ (Schwäbisches Tagblatt, 1985).

Nicht für alle Familienmitglieder war dies das Ende ihres künstlerischen Schaffens. In bereits bestehenden oder später gegründeten Formationen wie Die Sache, Die Eltern, Fanklub, Just Music, Historical Delay, NIL, Erika51 bzw. mit Stepptanz- oder Schauspiel-Aktivitäten wurde der inzwischen akut gewordene „Ernst des Lebens“ kreativ begleitet. Kontakt zwischen den älter gewordenen Haudegen bestand unterschiedlich intensiv — von regelmäßig über sporadisch bis gar nicht. Das reichte allerdings dafür, 1990 ein erstes Revival zu organisieren. Motto: „Familie Hesselbach und ihre Kinder“, Idee: die zu dieser Zeit aktuellen Bands der Familienmitglieder auftreten zu lassen, bevor als Höhepunkt das Hesselbach-Reunion-Konzert folgen sollte. Ein toller Abend, an dem die Band mit einem Ersatz-Drummer spielte, da der ursprüngliche aufgrund noch nicht verbreiteter elektronischer Medien nicht aufgefunden werden konnte.

Alte Verbundenheit bezeugt eine weitere Episode: 1997 wurde zum 40. Geburtstag des Bassisten eine Überraschungsparty organisiert, bei der eine Rumpfbesetzung einige Stücke zum Besten gab, bis dann der Jubilar selber einstieg. Vor allem auch wegen des Reminiszenz-Charakters dieses Ereignisses verschwendete niemand mehr einen Gedanken an potentiell Ähnliches, noch weiter waren ja inzwischen die Lebensläufe auseinander gedriftet.

Aber wegen der bereits erwähnten Aktivitäten der Stuttgarter Merz Akademie fand man Weihnachten 2011 in Originalbesetzung bei einem Essen wieder zusammen. Von einer kleinen Release-Party war da zunächst die Rede, doch aufgrund der vor allem geografisch unterschiedlichen Lebensverhältnisse wurde schnell klar, dass dies nicht zeitnah zu realisieren war. So entwickelte man ein längerfristiges Szenario: sich mit der damals wie jetzt befreundeten Stuttgarter/Ex-Reutlinger Band heute im November 2012 “„einen schönen Abend zu machen“.

Nach intensiven Wochenend-Kompaktproben, bei denen fast nie alle Familienmitglieder gleichzeitig da waren, merkte man, dass die Fähigkeiten ausreichten, um ein bühnenfähiges Programm auf die Beine zu stellen. Die Frage war nur: würde es ausreichen, um dann live ein wie umfangreich auch immer erscheinendes Publikum zu überzeugen? Schon nach wenigen Stücken im Stuttgarter Club Zentral zeigte sich, dass alles wunderbar funktionierte. Viele — auch von auswärts gekommene — Besucher sorgten schnell für eine Stimmung, die an früher erinnerte, auch wenn Musiker, genauso wie große Teile der Zuhörerschaft, deutlich an Lebensjahren hinzugewonnen hatten.

Mit diesem Erfolg im Rücken schien es nur schlüssig, sich auch in der einstigen Heimatstadt Tübingen noch einmal zu präsentieren. Im März 2013 kam es im Sudhaus erneut zu einem tollen Konzert, das vom Tübinger Publikum und der regionalen Presse begeistert gefeiert wurde

Bleibt die Frage, warum die Gruppe nach so langer Zeit mit dem gleichen musikalischen Material auch im 21. Jahrhundert reüssieren konnte. Zum einen mag sein, dass die Live-Qualitäten der Band durch die technologische Weiterentwicklung von Konzert-Sound-Equipment nicht nur heutigen Standards genügen konnten, sondern sogar noch kompakter als damals rüberkamen. Zum anderen soll hier die These gewagt werden, dass die Songs, die natürlich den damaligen Rahmenbedingungen des kulturellen Undergrounds entsprangen, sowohl ein bandspezifisches stilistisches Alleinstellungsmerkmal repräsentieren als auch genügend substanzielle musikalische Qualität besitzen, um den Ritt durch die Jahrzehnte erfolgreich zu bestehen. Des weiteren: warum sollte nicht auch für die Hesselbachs das inzwischen durchaus verbreitete Phänomen gelten, dass man mit Spielfreude und Engagement ein „Comeback“ zur Freude von Publikum und Musikern geben kann?

(Hank von Ewalds † 2019)

Damals (1981-85) waren wir 6 junge Männer, denen die traditionelle Rockmusik erheblich auf den Geist ging. Also folgte man dem Weg anderer neuer deutscher Bands und griff selber zu den Instrumenten.

Im  21. Jahrhundert sind wir 6 ältere Männer, die sich seitdem um alles andere als traditionelle Rockmusik gekümmert, aber nachfolgende Strömungen durchaus verfolgt haben. Zu den Instrumenten griffen wir knapp 30 Jahre später erneut, weil es plötzlich (bedingt durch die Wiederveröffentlichung alter Aufnahmen) wieder Freude machte, mit den alten Freunden zusammen zu musizieren. Diese Freude blieb auch noch nach dem Tod von Handke Hesselbach 2019 erhalten. Seit diesem Abschied übernimmt Le Marquis den frei gewordenen Platz in der Band.

Damals  erarbeiteten sich 6 junge Männer aus unterschiedlichstem Background in kürzester Zeit ein musikalisches Programm, von dem sie alle überzeugt waren.

Im  21. Jahrhundert griffen wir darauf und auf seine Weiterentwicklungen zurück, veränderten nur wenig und haben, weil die Songs so gut sind, ähnlich viel Spaß wie früher.

Damals entwickelte sich eine Erfolgsgeschichte im deutschen Underground-New Wave, ohne dass wir dies geplant hatten.

Im  21. Jahrhundert können wir darauf bauen, dass dank vieler noch lebender Zeitzeugen und wieder ausgegrabener positiver Presseberichte Erinnerungen von früher in neue intensive Konzerterlebnisse transformiert werden können. Inzwischen arbeiten wir an neuen Songs und werden bald wieder live zu sehen sein. Die erste LP von 1982 wurde bei Play Loud! Productions in Berlin neu aufgelegt und sehr erfolgreich verkauft. Ein Doppelalbum mit alter Musik ist in Planung, eine Veröffentlichung mit neuen Songs nicht ausgeschlossen.

Damals wurde die Erkenntnis, ein wichtiger Teil der „Szene“ zu sein, zur Verpflichtung, weiter an diesem Status zu arbeiten, ohne sich aber ihr anzubiedern.

Im  21. Jahrhundert profitieren wir offensichtlich davon, dass dieser Status bei vielen Leuten über die Jahre hinweg nicht in Vergessenheit geraten ist — bei Wissenden von früher und Neuentdeckern von später.

Damals spielten wir viele Konzerte, um zu zeigen, dass diese Musik mit den bekannt gewordenen Acts der NDW gut mithalten kann.

Im 21. Jahrhundert spielten wir mehrere Konzerte, um zu zeigen, dass dies auch heute noch so ist. Weitere werden folgen. Parallel dazu erscheint das Doppelalbum mit der ersten Kassette (Froh zu sein), dem 8-EP-Sampler und einigen verstreuten Songs zu Ehren von Hanke Hesselbach, der 2019 verstarb.




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